Freundschaft
Mitten in die sommerliche Leichtigkeit des Seins, will ich mir ein paar Gedanken zum Thema Freundschaft, zum Leben und dem Tod machen. Dies nicht ganz von ungefähr, denn ich habe einen Freund verloren. Er ist überraschend von einem Augenblick auf den anderen von uns gegangen. Auf einer kurzen Radtour hat sein Herz plötzlich aufgehört zu schlagen.
Aber darf ich eigentlich sagen, dass er mein “Freund” war? Wann ist ein Mensch ein Freund? Was meint Wikipedia dazu:
“Freundschaft bezeichnet ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet.” (Quelle)
Nun, von “Zuneigung” möchte ich ja nicht gerade sprechen, aber von Sympathie und vor allem von Vertrauen.
wie alles begann
Vor über 20 Jahren kam unsere Tochter zu Welt. Für alles muss man eine Ausbildung machen oder sonst seine Kompetenz nachweisen, nur auf die Rolle als Vater wird man nirgends vorbereitet. Zum Glück beteiligte sich zu dieser Zeit mein damaliger Arbeitgeber an einer Bewegung zur Stärkung der Vaterrolle. Unter dem passenden Namen “hallo Pa” konnte man sich in einer “Selbsthilfe”-Gruppe anmelden und mit anderen Vätern über die neuen Herausforderungen sprechen.
Wie es der Zufall wollte, traf ich in Thun mit dem Arzt Andi Egli zusammen. Im Rahmen der regelmässigen Treffen über viele Jahre (dann schon nicht mehr institutionell geführt), lernte ich ihn von einer anderen, persönlichen Seite kennen. So entstand eine Beziehung, die über die übliche Verbindung zwischen Patient und Arzt hinaus geht. Wir führten viele tiefgreifende Diskussionen, tauschten viele Tipps und Tricks und viele persönliche Eindrücke aus.
der Arzt
Andi war zwar ursprünglich Schulmediziner, hatte sich aber inzwischen stark der alternativen Medizin verschrieben. Wir waren schon lange auf der Suche nach einem homöopathischen Hausarzt. Nun hatte ich ihn gefunden. Er begleitete unsere Familie über viele kleine und grosse “Bobolis” hinweg. Er sah unsere Kinder gross und uns “alt” werden. Mussten wir wieder einmal gegen eine “Männergrippe” oder ein Angina ankämpfen, er wusste bereits aus Erfahrung, wo er ansetzen musste. Mit Geduld hörte er sich unsere Beschwerden an, griff in die Schublade und schüttete ein paar Kügelchen heraus. Beeindruckend war vor allem, als unsere Tochter, ca. 2 jährig, den Hals dermassen entzündet hatte, dass sie nicht mal mehr trinken wollte. Nach zwei Anwendungen war das Gröbste schon vorüber und es ging wieder aufwärts. Er schreckte aber auch nicht davor zurück, zum richtigen Zeitpunkt auf Antibiotika umzusteigen.
der Abschied
Mit grosser Anteilnahme mussten wir vor ein paar Wochen vom Tod unseres “Freundes” Kenntnis nehmen. Zwanzig Jahre hat er uns begleitet und wir hatten grenzenloses Vertrauen zu ihm. Wie sollten wir je wieder ein solches Verhältnis zu einem neuen Arzt aufbauen? Der Anfang der Beziehung war so speziell, dass diese Grundlage immer fehlen wird. Und doch muss es weitergehen. Dass wir ab sofort nie mehr krank werden, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Das Titelbild steht sinnbildlich für eine gewisse Distanz, aber auch für eine stabile Brücke, die wir aufbauen konnten.