Sehr geehrte Damen und Herren
liebe Thunerinnen und Thuner
liebe Gäste von nah und fern
Ich begrüsse Sie im Namen der Thuner Regierung und dem Stadtrat zur diesjährigen 1. Augustfeier der Stadt Thun. Schön, dass Sie alle so zahlreich den Weg hier in die Altstadt gefunden haben. Das ist bei der momentanen Verkehrssituation gar nicht so einfach….
Es ist auch nicht ganz einfach für mich, im Vorfeld eines Slam Poeten mit gewiefter Sprache und pointierter Wortwahl, eine offizielle Begrüssungsrede zu halten. Nun weiss ich auch, wie es den Musikgruppen im Vorfeld von grossen Konzerten geht.
Was würde besser zum 1. August passen als «Swissness». Unter diesem Slogan ist auch dieser Anlass gestaltet. Was ist aber «Swissness»? Ist es Käse, Schokolade und Wilhelm Tell? So weit weg sind wir damit wohl nicht. Denn was unsere Schweiz gross macht, ist ihre politische Tradition. Nun gut, Tell selber hat weniger politisch als handfest gehandelt. Trotzdem ist es doch unser politisches System, das die Stabilität in unserem Land garantiert. Nur wenn man gemeinsam Lösungen und Konsense sucht, kann man erfolgreich sein.
Wie Sie vielleicht wissen, ist mein Motto für meine Amtsperiode als Stadtratspräsident „Brücken bauen“. Natürlich geht es mir nicht darum, tatsächlich einen neue Wasserquerung zu forcieren. Vielmehr soll es eine Metapher sein, die Lücken zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern aber auch diese zwischen der Politik und der Bevölkerung zu überbrücken. Und zu diesem letzten Thema möchte ich ein paar Worte zum Start dieser 1. Augustfeier verlieren.
Denn es scheint, dass die Stimmberechtigten langsam „Abstimmungsmüde“ werden. Die Wahl und Abstimmungsbeteiligungen sind in den letzten Jahren laufend gesunken. Das führt dazu, dass hier in Thun ein Viertel der Stimmbevölkerung über Millionenausgaben (wie bspw. das Krematorium) entscheiden und nur ein Drittel „ihre“ Volksvertreter ins Rathaus schicken (Wahlen 2014).
Als Stadtrat bin ich einer dieser Volksvertreter. Aber welches Volk vertrete ich denn, wenn es eine grosse Masse an Menschen gibt, denen die Politik egal ist? <Pause> Wieso ist das so? Fragen Sie sich, geschätzte Damen und Herren, wieso SIE zur Urne gehen oder eben NICHT gehen.
Meine Erfahrungen bei der Basisarbeit auf der Strasse ist immer wieder: “ach, die machen ja doch was sie wollen” oder „es ist alles so kompliziert”. Auf meine Rückfrage, welche Anliegen sie denn hätten, kommen in den wenigsten Fällen und dann nur zögerlich konkrete Wünsche hervor. Die meisten sind zu diesem Zeitpunkt (schliesslich ist es i.d.R. Samstagmorgen) zu gestresst und an ihrem freien Tag nicht auf Politik eingestellt. Kein Wunder also, wenn zwei Drittel der Bevölkerung dann das Gefühl haben, „die machen sowieso was sie wollen….»
Wann aber ist denn Zeit für Politik? Ist es nur jetzt am 1. August, wenn sich die Politiker um die Auftritte in den Dörfern und Städten streiten um ihre politische Nachricht zu platzieren? Ist es dann, wenn die Damen und Herren Nationalräte über GANZ wichtige Themen debattieren?
Nein, Politik ist allgegenwärtig und vor allem kein Selbstzweck – Politik geht uns alle an, ganz lokal, auch hier in Thun. Jeder Entscheid, und sei er noch so klein, hat Auswirkungen auf die Zukunft. Dies kann finanzieller Natur sein – Belastung der Stadtkasse durch Ausgaben, Abschreibung, Zinsen usw. bis hin zu einer allfälligen nötigen Steuererhöhung. Primär wird der Entscheid aber Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben. Schon ein Planungskredit kann die Weichen in eine bestimmte Richtung stellen. Denn oft wird nur über den Betrag an sich diskutiert und nicht über den Sinn oder Unsinn der Bautätigkeiten, die aus der Planung folgen.
Und Sie können sicher sein, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Thuner Politiker investieren nicht dutzende oder gar hunderte von Stunden in ihre nebenamtliche Tätigkeit, um sich persönlich zu profilieren – natürlich gibt es auch die. Für die meisten steht das Wohl aller Einwohner von Thun im Mittelpunkt. Sie wollen sachlich etwas für die Stadt tun. Einige müssen aber auch ihre Wahlkampfschulden abarbeiten. Das zeigt sich spätestens bei gewissen Geschäften wo die Sachpolitik den Partikularinteressen weichen muss.
Und ja, Politik kann komplex sein und die Hintergründe für den Laien manchmal unergründlich. Wer sich aber dafür interessiert, der findet bei der Stadtverwaltung oder bei „seinem“ Volksvertreter kompetente Auskunftspersonen. Von ihnen können Details erfahren und mit ihnen kann man über das Geschäft diskutieren. Das ist ein Gewinn für beide Seiten. Denn einerseits können wir Politiker so den Puls der Menschen spüren und andererseits sind die Leute besser informiert, falls es später zu einer Volksabstimmung kommen sollte. Als Beispiel sei hier die nächste städtische Abstimmung zum Bau der beiden Kunstrasenfelder beim Stadion erwähnt. Vielen Stimmberechtigten fehlen Hintergrundinformationen. Sie erachten das Geschäft auch als zu teuer. Wenn man aber alle Aspekte, wie der unbestritten vorliegende Bedarf, die bisherigen Bemühungen verschiedenster Gruppierungen aber auch die Gründe für die hohen Kosten kennt, der kann sich ein umfassendes Bild machen und dann auch kompetent abstimmen.
Die Rolle der Verwaltung ist es, mit transparenter und rechtzeitiger Information dafür zu sorgen, dass sich die Leute auch informieren können. Das kann über den Internetauftritt aber auch über die Abstimmungsbotschaft bei Sachgeschäften sein. Die Verwaltung hat in diesem Zusammenhang völlig unpolitisch und sachlich die Situation und vor allem auch die Folgen davon aufzuzeigen – zum Wohle aller hier in Thun.
Sie sehen, geschätzt Damen und Herren, Politik ist eine Bring- und Holschuld. Genauso, wie wir Politiker, können auch Sie die Verantwortung nicht einfach abgeben. Nehmen Sie also das Heft in die Hand und fangen Sie an, falls Sie das nicht schon tun, sich eingehender mit der lokalen Politik auseinander zu setzen. Und vor allem, gehen Sie an die Urne!
In dem Sinne, wünsche ich Ihnen viele spannende Einblicke und heute vor allem noch eine schöne Geburtstagsfeier der Schweiz. Die Stadt hat für Sie ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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